Archäologie trifft edles Design
Auf diese Wiedereröffnung hat die Münchner Museumsszene gespannt gewartet: nach rund acht Jahren Sanierungsarbeiten lädt die Archäologische Staatssammlung München im frischen Look zu einer Entdeckungstour durch bedeutende Grabungsschätze ein. Die neue Ausstellungsfläche überrascht mit Großzügigkeit und elegantem Design.
Zugegeben: ich war nie ein großer Fan archäologischer Fundstücke. Obwohl ich Geschichte liebe und Ausgrabungen wie etwa in Pompeij faszinierend finde, rufen endlos aneinandergereihte Glasvitrinen mit antiken Exponaten bei mir normalerweise wenig Begeisterung hervor. Zumindest bisher.
AUFSCHLUSS ÜBER DEN MENSCHEN - DAMALS WIE HEUTE
Dass ich mit dieser Haltung sehr viel verpasst habe, wird mir beim Besuch der neu- bzw. wiedereröffneten Archäologischen Sammlung München klar: die dort äußerst stilvoll präsentierten Ausstellungsstücke geben Aufschluss darüber, wie die Menschen damals (das „damals“ unterteilt sich hier in mehrere Abteilungen: Vorgeschichte, Römerzeit, Mittelalter und Neuzeit, bzw. in die Mittelmeersammlung und die Numismatik, was "Münzkunde" bezeichnet) fühlten, an was sie glaubten, welchen Blick sie auf das Leben hatten und was ihnen wichtig war, was wiederum - und das finde ich an dieser Stelle wichtig zu erwähnen - erstaunliche Erkenntnisse darüber liefert, wie und warum wir, die wir heute leben, unser Denken, Handeln und Fühlen über die Jahrtausende hinweg entwickelt und teils an die jeweiligen Lebensumstände angepasst haben oder anpassen mussten. Archäologie quasi als Sprung zurück in die Zukunft, oder auch als "Zugang in eine andere Welt", wie es die Sammlung selbst beschreibt.
STOLZE 15.000 EXPONATE - DOCH DIE RÄUME ATMEN
Allerdings komme ich auch hier zunächst nicht um Exponate in Glasvitrinen herum. Diese haben jedoch bei weitem nichts mehr mit jenen verstaubten Kästen zu tun, die mir von früher in Erinnerung geblieben sind. Das liegt vor allem an der gut strukturierten Präsentation der Stücke: Über 20 Millionen Objekte beherbergt die Sammlung insgesamt, davon sind aktuell rund 15.000 ausgestellt. Das ist eine ganze Menge, doch nimmt man die Zahl nicht bewusst wahr: die Räume können trotz der Vielzahl an Vitrinen atmen, jedes Exponat hat Platz für sich und ist noch dazu gut ausgeleuchtet, was die Tatsache wett macht, dass nur selten Tageslicht in das Gebäude dringt, doch wenn es das tut, dann geschieht dies gezielt, was insgesamt für eine warme und freundliche Atmosphäre sorgt.
FOKUS AUF BAYERISCHE SCHÄTZE
Die Sammlung präsentiert überwiegend Funde, die bei Grabungen auf Bayerischem Boden entdeckt wurden. Dabei liegt der Schwerpunkt, so die Beschreibung des Museums, auf „Kunst- und Alltagsobjekten, Grabbeigaben und Schatzfunden.“ Zu den Highlights zählen dabei ein 3.000 Jahre alter „Einbaum“ von der Roseninsel im Starnberger See, die Moorleiche aus der Gegend von Peiting im Landkreis Weilheim-Schongau und ein fast vollständig erhaltener hölzerner Brunnenschacht vom Münchner Marienhof. Wer mag, kann zwischen den Führungsrouten "Münchner Schmankerl“, präsentiert von der Kabarettistin Luise Kinseher, oder den „Highlights“ des Museums wählen, und sich per App mit mit dem Smartphone durch die Sammlung führen lassen.
NEUE FORMEN, EDLES DESIGN
Nun bin ich am heutigen Tag nicht (nur) ins Museum gekommen, um nach meinem Besuch eine wissenschaftliche Abhandlung zum Thema archäologische Funde in Bayern zu schreiben ;)
Vielmehr bin ich neugierig darauf, wie das Museum insgesamt auf mich wirkt, und ob es die Sammlung tatsächlich schafft, einen „Archäologie-Muffel“ wie mich für sich zu begeistern. Um die Antwort vorweg zu nehmen: Ja, sie tut es.
Vor allem die bereits erwähnte architektonische Gestaltung hat es mir – innen wie außen - angetan: so schuf das in Madrid und Berlin ansässige Architekturbüro Nieto Sobejano Arquitectos einen für München einzigartigen, unterirdischen Neubau, der auf 600 Quadratmeter Platz für Sonderausstellungen bieten soll (die erste Sonderausstellung ist laut Website für November 2024 geplant, weshalb dieser Raum aktuell leider noch nicht besichtigt werden kann, doch die nachfolgende Abbildung unten rechts lässt die beeindruckende Dimension dieses Raums erahnen).
Was zudem ins Auge sticht, ist die markante, bronzefarbene Außenfassade aus „Cortenstahl“, die noch vom Ursprungsbau der 70er Jahre (Architektenbüro Werz, Ottow, Bachmann und Marx, damals noch unter dem Namen "Prähistorische Staatssammlung") stammt, doch nun in ganz neuem Glanz erstrahlt. Auch der Eingangsbereich wurde durch einen neuen Gebäude-Kubus erweitert und bietet unter anderem Platz für ein Museumscafé.
Die Neugestaltung der Innenräume verantwortet das Atelier Brückner aus Stuttgart: mit einem Spiel aus Hell und Dunkel (mich persönlich erinnert dieser Kontrast daran, die wertvollen Funde von der Dunkelheit ins Licht zu holen), großzügiger Raumgestaltung mit viel Glas, meist umrahmt von schwarzem Stahl, erdigen Holzelementen und fabelhaftem Lichtdesign, ist ein zeitgemäßer, frischer Look entstanden, der Architektur-Fans mit Sicherheit auf seine Seite zieht. Besonders hervorzuheben ist ein Ausstellungsraum, in dem der Besucher über einzelne Glasplatten hinweg läuft und die Stücke auf diese Weise von oben herab betrachten kann – eine tolle Abwechslung zu den „herkömmlichen" Glaskästen“ ;)
Überhaupt sorgt die Sammlung für Abwechslung. So wurde die Dauerausstellung neu gegliedert: statt einer meist typischen, chronologisch-sortierten Reihenfolge wurden die Exponate im ersten Obergeschoss nach Themen wie Wohnen, Ernährung, Werte, Identität oder Glauben geordnet. Außerdem sorgen Comics des Münchner Künstlers Frank Schmolke für Farbtupfer in den sonst eher grau-weiß- schwarz-beige gehaltenen Räumlichkeiten. Die Zeichnungen Schmolkes zeigen Alltagsszenen der Menschen aus der damaligen Zeit (wie etwa einen Kampf, einem Ritual oder beim gemeinsamen Speisen), die so für den Besucher sehr lebendig wirken. Ein schönes „Extra“, nicht nur für junge Archäologie-Liebhaber.
GEHEIMTIPP: DIE DACHTERRASSE
Besonders ist der Besuch sonntags zu empfehlen, da der Eintritt hier bei nur einem Euro liegt (eine Besonderheit vieler Münchner Museen, die ich besonders schätze, da Kultur so für alle zugänglich gemacht wird). Zudem sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren frei. Alle Ebenen sind dazu barrierefrei. Öffentliche Führungen durch die Sammlung bietet die Münchner Volkshochschule jeden Sonntag um 14 Uhr an, Führungen für geschlossene Gruppen können direkt mit dem Museum vereinbart werden.
Bei schönem Wetter kann man übrigens auch auf der wunderschönen Dachterrasse des Museumscafés einen Sprizz in der Sonne trinken und den Blick auf den Englischen Garten genießen. Ein echter Geheimtipp!
Museumscafé sola.bar
Fotos: Christine Lehner (mit freundlicher Genehmigung der Archäologischen Sammlung München) // Foto des Raumes "Sonderausstellung" von Stefanie Friedrich (ASM)